Platanenblatt – eine griechisch-deutsche Solidarische Landwirtschaft für Olivenöl

Autorin: Mona Knorr

Urte und Ralf Randel, der Bauer Prokopis Bantzis und eine wachsende Community von Olivenölfans sind Platanenblatt: Eine erweiterte, solidarische Landwirtschaft, die das Olivenöl auf der griechischen Insel Lesbos produziert und die Ernteanteile dann zur Community nach Deutschland bringt.

Ich bin übrigens selber eine dieser Prosument*innen und muss zugeben, dass mich die Antworten von Ralf noch ein bisschen mehr für das Projekt begeistert haben. Unübersehbar: Die Parallelen zu Teikei Coffee. Wenn ihr also dieses Interview durch habt, könnt ihr gleich noch ein bisschen weiterlesen…

Warum habt ihr 2012 Platanenblatt gegründet?

Der Impuls kam aus dem persönlichen Erleben der Auswirkungen dessen, was man damals “Griechische Wirtschaftskrise” nannte. Wir waren zu diesem Zeitpunkt schon seit mehreren Jahren immer wieder auf Lesbos gewesen und in der Nachbarschaft bekannt. Als wir erlebten, wie unsere Nachbarin, der die Rente um 30% gekürzt worden war, plötzlich Sorge hatte, ihr Haus (das eigentlich ein Häuschen ist) zu verlieren, wollten wir etwas tun. Wir wollten der Insel, die uns so gefiel, und den Menschen, die wir so mochten, etwas zurückgeben. Wir hatten gesehen, dass viele Olivenhaine zum Verkauf standen bzw. nicht mehr bewirtschaftet wurden. Zu dem Zeitpunkt war uns noch nicht klar woran das lag. Jedenfalls dachten wir: Olivenöl könnte ein guter Weg sein zu helfen.

Was war euer Ziel?

Der Plan war von Anfang an, möglichst alle Produktionsschritte auf Lesbos zu tun, das Olivenöl in Deutschland zu verkaufen, in den Verkaufspreis eine Spende für soziale Projekte auf Lesbos zu integrieren und alle entstehenden Überschüsse ebenfalls zu spenden. Dafür wollten wir ein Olivenöl mit bestmöglicher Qualität produzieren. Naja, eigentlich war der Plan, das beste Olivenöl der Welt herzustellen. 🙂 Dafür brauchten wir einen Partner, den wir dann nach langer Suche und der Hilfe von Demeter International auch fanden: Prokopis Bantzis. Zusammen mit ihm haben wir dann Platanenblatt gegründet – eine assoziativ wirtschaftende Gemeinschaft und parallel ein gemeinnütziger Verein.

Auf eurer Website steht, dass ihr eine “erweiterte solidarische Landwirtschaft” seid. Was unterscheidet euch von einer “normalen” CSA?

Zum Zeitpunkt der Gründung von Platanenblatt waren wir bereits seit einiger Zeit privat Mitglied in der Solawi Kattendorfer Hof bei Hamburg. Überzeugte Bio-Käufer ohnehin, aber besonders von der direkten Verbindung zum Bauern in einer Solawi angetan. Zu dem Zeitpunkt wurde die “Regional-Bewegung“ in Deutschland immer stärker, das ging damals bis hin zu Aussagen wie „Regional ist das neue Bio“ (ist es natürlich nicht!). Regional finden wir auch gut, was wir aber wollten ist ein Produkt (Olivenöl), das in Deutschland nicht regional erzeugt werden kann, solidarisch zu verteilen. Wir haben gesucht – aber eine überregional, Ländergrenzen überschreitend wirtschaftende Solawi haben wir nirgends gefunden. Daher haben wir uns entschlossen die Erste zu werden :). Damit das schon in der Benennung anklingt, haben wir das Prinzip (durchaus auch mit Beuys im Hinterkopf) erweitert. 

Was ist die größte Herausforderung für eine überregionale Solawi?

Die größere Entfernung zwischen Verbraucher und Bauer macht es natürlich schwieriger. Wir versuchen als Mittler und Kommunikatoren immer ansprechbar zu sein und bei unseren Abholtagen zum Anfang eines jeden Jahres eine Möglichkeit zur persönlichen Kontaktaufnahme zu schaffen. Einige unserer Mitglieder sind allerdings auch bereits nach Lesbos gereist (wir helfen dabei gerne), haben den Olivenhain besucht, mitgeholfen, zugeguckt, sich erholt und dem Bauern einen Eindruck gegeben, wer die Früchte seiner Arbeit so begeistert vertilgt :). Für uns ist solidarisches Wirtschaften keine Frage der Regionalität. Aus einem erweiterten Blickwinkel wird jedoch schnell klar, jedes landwirtschaftliche Erzeugnis ist regional – und zwar weltweit. Die Natur und die Böden sind weltweit die Grundlage der Landwirtschaft und müssen gesamtheitlich geschützt werden. Es geht in der erweiterten solidarischen Landwirtschaft, so wie wir sie verstehen, deshalb darum, auch nicht-regionale Erzeugnisse verantwortlich und nachhaltig herzustellen. Das geht nur, wenn wir sie als Verbraucher in unseren bewussten Konsum einbeziehen. 

Ihr organisiert ja in einigen Städten auch Abholtage  – warum?

Es ist unsere beste Möglichkeit, eine Solawi-Gemeinschaft zu formen, bei der es nicht so ganz einfach ist, „seinen Hof“ zu besuchen. Für die Mitglieder ist es eine gute Möglichkeit, Fragen loszuwerden, neues aus Lesbos und aus dem Olivenhain zu erfahren und: wir brauchen das Öl nicht zu schicken. Im kommenden Jahr haben wir Abholtage in Hamburg, Berlin, Köln, München und Wangen (Allgäu) – das ist toll. Wir würden gerne noch mehr machen. 

Gibt es eine Platanenblatt-Community?

Ja, und die ist richtig toll. Unglaublich treu, so viele sind schon seit Jahren dabei. Wir kriegen ganz viel von der Freude zurück, die wir in das Projekt hineingeben.

Hat diese Community Kontakt zu dem Bauern auf Lesbos?

Urte und ich sind die Kommunikatoren, in erster Linie. Es kommt inzwischen so viel Feedback, Fragen, Anregungen etc., dass Prokopis das nicht auch noch bewerkstelligen könnte. Was er gerne und immer öfter macht: wenn Leute aus der Community nach Lesbos kommen nimmt er sich viel Zeit ihnen den Olivenhain zu zeigen, zu erklären und (falls es gerade passt) mit in die Ölmühle zu nehmen. 

Letztes Jahr hattet ihr ja einen nahezu kompletten Ernteausfall. Wie hat euch die Community geholfen, das aufzufangen?

Ja, das war schlimm, was für ein Schock. Wir haben tatsächlich einen Totalausfall gehabt. Glück im Unglück war es, dass wir im Jahr davor die größte Ernte hatten, die überhaupt vorstellbar war. Und das bei unglaublich guter Qualität. Der Gehalt an Polyphenolen im Öl war so hoch, dass auch nach längerer Lagerung die Aromen und die Frische im Öl präsent war. Wir hatten also noch Olivenöl aus unserer Rekordernte, die wir nicht verteilt hatten, da die Ernte so unerwartet groß war. Die Community hat dann während des öllosen Jahres die Reste unserer großen Ernte verbraucht. Darüber hinaus gab es einiges an Spenden, Aufmunterungen und moralischer Unterstützung. Ohne unsere tolle Community wäre das Jahr ein komplettes Desaster gewesen. So war es eine Schwierigkeit, wir wir alle gemeinsam in den Griff gekriegt haben.

Die Oliven werden ja in einer lokalen Ölmühle zu Öl verarbeitet. Diese Ölmühlen sind ja keine normalen Betriebe, sondern Einrichtungen der Dorfgemeinschaft. Könnt ihr dazu etwas erzählen?

Das stimmt leider so nicht – aber es ist die Tradition an die wir anknüpfen. Die kommunalen Ölmühlen auf Lesbos sind alle verschwunden, von ehemals über 150 Ölmühlen auf der Insel sind vielleicht 20 geblieben, die alle privat geführt werden. Damals war es so, dass die Ölmühle dem Dorf gehörte, jeder dort seine Oliven verarbeiten konnte und die Mühle einen kleinen Anteil des Öls für sich als Bezahlung behielt. Von dieser Bezahlung wurde die Mühle instand gehalten, der Rest floss in kommunale Aufgaben, zum Beispiel in den Bau von Dorfschulen. Das machen die Mühlen heute nicht mehr. Deshalb haben wir eine Spanne von 10% in den Abgabepreis des Olivenöls integriert, mit dem soziale Aufgaben auf Lesbos unterstützt werden. Eine Hilfe, die gerade auf Lesbos bitter nötig ist. Denn nicht nur die allgemein schwierige wirtschaftliche Situation Griechenlands macht der Insel schwer zu schaffen, sondern vor allem ihre Rolle bei den Flüchtlingsbewegungen im Mittelmeer.

Was hat euer Projekt in der Region bewirkt?

Unser Projekt hat schon ein bisschen Leuchtturm-Charakter. Wir sind noch immer der einzige Demeter-zertifizierte Betrieb auf der Insel und auch der einzige, der mit einer engagierten und unterstützenden Community arbeitet. Das hat inzwischen viele Bauern auf uns aufmerksam gemacht, die keine oder nur extrem schlecht bezahlte Absatzkanäle für ihre Produkte haben. Inzwischen interessiert sich sogar der eine oder andere für biologisch-dynamischen Anbau. Unsere jahrelange Arbeit am kargen Boden wird immer mehr sichtbar. Auch dass wir im vergangenen Jahr zum ersten mal Schüler einer deutschen Waldorfschule im Olivenhain hatten, die bei den Arbeiten im Olivenhain geholfen haben, hat für Aufsehen auf der Insel gesorgt. Dabei haben sowohl der Bauer als auch die Schüler*innen profitiert – eine tolle Erweiterung, die wir gerne fortführen würden. Wie unter einem Brennglas erkennt man die Vorzüge einer Gemeinschaft – jeder geht bereichert und gestärkt aus dem Projekt hervor: die Schüler*innen, der Bauer, die Erntehelfer*innen, Zulieferer*innen, der Boden, die Konsument*innen, die Region – der ganze Gemeinschaftsorganismus eben.

Wie erfahren Leute von eurem Projekt?

In erster Linie durch Empfehlungen. Und wir erfahren viel Unterstützung, hier ist in erster Linie die “Genussgemeinschaft Städter und Bauern e.V.“ aus München zu nennen, aber auch Slow Food München, Köln und Hamburg. Wir sind auch immer wieder bei Vorträgen und Veranstaltungen zu dem Themen Rund um Solawi dabei. Meist mit einer kleinen Ölflasche im Gepäck – unser überzeugendstes Argument. 🙂  


So kannst du Teil der Community werden:

Der schnellste Weg zum Olivenöl, das übrigens auch in unserer Küche seit 2 Jahren nicht mehr wegzudenken ist, führt über den Onlineshop von Platanenblatt. Dort kannst du einen oder mehrere Ernteanteile der Saison 2019/20 vorbestellen. In einigen Städten* gibt es die Möglichkeit, es abzuholen, aber auch ein Postversand ist möglich. Ansonsten findest du Platanenblatt auch auf Instagram und Facebook.

Fotos: Wurden mir von Urte und Ralf Randel/Platanenblatt zur Verfügung gestellt.

[Der Artikel erschien zuerst auf dem mittlerweile aufgelösten Blog communitysupported.org und wurde im Juli 2021 auf diesen Blog übertragen.]