Zu Besuch beim Mabon-Kollektiv: Mehr als ein gemeinschaftlich genutzter Kleiderschrank

Autorin: Mona Knorr

Eigentlich ist alles da, was wir brauchen!

„Eigentlich ist alles, was wir brauchen, schon da“, sagt Lisa, als wir am großen Arbeitstisch unter dem Dach ihres Hauses in Darmstadt-Bessungen sitzen. „Deshalb habe ich mein Projekt auch Mabon genannt, das bedeutet Erntedankfest.“ Lisa liebt es, gebrauchten Dingen neues Leben zu schenken und hat lange vom eigenen Second-Hand-Laden geträumt. Doch Mieten für Räume sind teuer, und der Handel mit gebrauchter Kleidung ist nur bedingt lukrativ. Die Idee landete in der Schublade, bis Freunde Lisa auf eine Veranstaltung des Myzeliums aufmerksam machen. „Als studierte Designerin und Projektmanagerin musste ich mich in Timos und Michaelas Idee vom communitybasierten Wirtschaften erstmal reindenken. Aber als ich es dann verstanden hatte, war ich super inspiriert und habe mit meinem Mann gleich Pläne gemacht, wie ich die Idee vom Second-Hand-Shop auch anders umsetzen kann.“ Herausgekommen ist das Mabon-Kollektiv, ein gemeinsam genutzter Kleiderschrank mit regelmäßigen Workshops und Communitytreffen.

Wie funktioniert das Mabon-Kollektiv?

Die Mitglieder des Mabon-Kollektivs zahlen, wie in einer Solidarischen Landwirtschaft, einen festen Betrag pro Monat. Sie ermöglichen Lisa dadurch, regelmäßige Community-Treffen und Workshops zu organisieren, Materialien zur Verfügung zu stellen und sich um den gemeinsamen Kleiderschrank zu kümmern. Im besten Fall finanzieren sie Lisas benötigten Umsatz für ein Jahr voll aus – so dass sie sich komplett auf die inhaltliche Arbeit des Mabon-Kollektivs und die Communityarbeit konzentrieren kann. Für den monatlichen Beitrag wird eine Bietrunde veranstaltet, damit Menschen mit unterschiedlichen finanziellen Möglichkeiten am Projekt teilnehmen können – deshalb ist das Mabon-Kollektiv auch ein solidarisches Projekt.

Momentan bietet Lisa noch viele offene Treffen an, damit sich jede*r ein Bild davon machen kann, was das Mabon-Kollektiv ist und wie es funktioniert. Das Konzept sei erklärungsbedürftig, sagt sie, und das Commitment für ein Jahr gerade bei Student*innen schwer zu bekommen. Trotzdem gibt es schon einige Leute, die fest dabei sind. Insgesamt 15-20 Personen braucht Lisa, denn langfristig soll das Mabon-Kollektiv ein Job werden – ein Aspekt übrigens, der ihren Mentorinnen Timo und Michaela von Myzelium immer ein Anliegen ist: Gemeinschaftsbasiertes Wirtschaften heißt, dass dadurch Jobs entstehen, keine Ehrenämter.

Der große Tisch, an dem die Workshops und Community-Treffen stattfinden.

Vom Kleiderschrank zur Repair-Community?

In unserem Gespräch hatte ich den Eindruck, dass sich Lisas gemeinsam genutzter Kleiderschrank (der übrigens ein separates Verleih-Abteil hat und ansonsten wie eine Kleidertauschparty funktioniert) längst zu einer viel cooleren Sache entwickelt hat. Einer Gemeinschaft nämlich, die gemäß dem Motto #repairreuserecycle zusammenkommt, um Kleidung durch Tausch, Änderung und Reparatur so lange wie möglich im Kreislauf zu halten und sich dabei unterstützt, die dafür benötigten Techniken zu lernen und zu teilen. Dass bei diesen Treffen aber weit mehr passiert, ahnt man, wenn man Lisa mit leuchtenden Augen vom Treffen vor einigen Tagen erzählen hört, vom wertschätzenden und inspirierenden Austausch am Arbeitstisch und den neuen Kontakten und Möglichkeiten, die sich durch die Runden ergeben….

Was wäre, wenn…

…jedes Viertel ein Mabon-Kollektiv hätte? Oder jede Wohneinheit? Wenn sich überall Gemeinschaften bilden, die ihre Kleidung tauschen, ändern, reparieren und so viele Ressourcen schonen würden? Und wenn all diese Mabon-Kollektive eine Lisa hätten, die sich um diese Gemeinschaften kümmern und beim Reparieren unterstützen könnte, aber nicht ehrenamtlich, sondern gemeinschaftlich finanziert?

Die Fotos wurden mir von Lisa zur Verfügung gestellt.

[Der Artikel erschien zuerst auf dem mittlerweile aufgelösten Blog communitysupported.org und wurde im Juli 2021 leicht gekürzt auf diesen Blog übertragen.]